Der König
von Siam in Braunschweig
Das heutige Thailand hieß damals noch
Siam und man reiste per Schiff, mit den Schnelldampfern des
Norddeutschen Lloyd nach Amerika und Fernost. Reisen war Luxus, man
mußte viel Geld und Zeit dafür haben. Der Suezkanal war schon
gebaut, trotzdem dauerte eine Reise nach Bangkok gut drei Wochen.
Seine Majestät Rama V. Chulalongkorn kam mit seinerm eigenen Dampfschiff "Maha Chakri" und kleinem Gefolge im
März 1907 zum zweiten Mal nach Europa, um auf einer mehrmonatigen Reise durch
verschiedene Staaten Kontakte seiner ersten Reise zu erneuern und sich in Baden Baden medizinisch behandeln zu lassen. König Chulalongkorn, war der
große Reformer, der sein Land erstmaliger dem Westen öffnete und
ausländische Berater holte, um die Infrastruktur, Verwaltung und Wirtschaft zu
modernisieren. 1891 vollführte er den ersten Spatenstich für die
erste Eisenbahnstrecke des Landes, bei seinem Tod, 19 Jahre später,
gab es bereits 774 Kilometer Bahnstrecke.
Programm des Besuches |
Sonnabend, den 10 August:
Nachmittags 4 Uhr Ankunft und Empfang des Königs auf dem
Haupt-Bahnhof
Abends 7 Uhr Galadiner im
Residenzschlosse
Abends 8 ½ Uhr Galavorstellung im
Hoftheater.
Sonntag, den 11. August: Fahrt
mittels Sonderzug nach Bad Harzburg
Abends 6 ½ Uhr Beiträge der
vereinigten Gesangvereine im Hoftheater
Abends 8 ½ Uhr Diner im
Residenzschlosse
Montag 8 ½ Uhr Militärische
Übungen
Nachmittags 4 Uhr Übungen der
Feuerwehren
Nachmittags 5 Uhr Übungen der
Turnerschaft
Nachmittags 7 ½ Uhr Diner im
Residenzschlosse, hierauf Konzert der Hofkapelle in der Burg
Dankwarderode
Volles Programm also ohne
Verschnaufpause für den König und seine Begleitung. Empfangen
wurde er, das Königreich Preussen war ja noch ein Flickenteppich von
Kleinstaaten und Herzogtümern, vom damals regierenden Herzog JohannAlbrecht zu Mecklenburg.
Rama V. Chulalongkorn und Herzog Johann Albrecht |
Nach dem Foto zu urteilen, welches die
beiden Regenten in der offenen Kutsche zeigt, waren beide Herren wohl
recht vergnügt und haben die Zeit in Braunschweig trotz des
anstrengenden Programms genossen. Bei der am folgenden Tag
angesetzten Fahrt in den Harz wichen sie sogar vom festgelegten
Programm ab, schickten den Anhang nach Hause und machten einen
sozusagen privaten Ausflug nach Blankenburg:
Rama V. und Gefolge im Bahnhof Bad Harzburg |
im Gestüt Bundheim |
Vor dem Kurhaus Bad Harzburg |
Gastgeber war der Hof des Regenten,
aber auch die Stadt Braunschweig war über den hohen Besuch recht
erfreut, so daß die Stadtverordneten die bedeutende Summe von 3.000
Mark bewilligten für stadtseitige Veranstaltungen. In einem Brief
des Stadtmagistrats an die Herren Stadtverordneten heißt es:
…..Wir sind der Ansicht, daß
dieser von höchster Stelle ( ...dem Herzog ) gegebenen Anregung
stadtseitig Folge zu geben ist, weil wir es einerseits für eine
Ehrenpflicht der Stadt erachten, auf Wunsch einen den hiesigen Hof
besuchenden fremden Herrscher entsprechend den der Residenz
obliegenden Repräsentationspflichten aufzunehmen, und weil es
anderseits im wohlverstandenen Interesse der Stadt liegt, durch
festliche, unter Mitwirkung der Einwohnerschaft zu bewirkende
Veranstaltungen wie sie bei dergleichen Anlässen fürstlichen
Besuchern dargeboten zu werden pflegen, den Fremdenverkehr zu heben
und den hiesigen Einwohnern Verdienst zu schaffen.
Von kostspieligen Festlichkeiten
kann dabei um so weniger die Rede sein, als diese höchsten Orts
nicht gewünscht werden; vielmehr ist, soviel es die stadtseitigen
Darbietungen betrifft, die Veranstaltung eines Konzertes des hiesigen
Männergesangvereins, die Abhaltung eines Schauturnens auf dem Kl.
Exerzierplatze und die Abhaltung einer Übung unserer Feuerwehr in
Aussicht genommen wird. Endlich würde noch vielleicht die
Ausschmückung einzelner Strassen und Plätze in Frage kommen, die
aber in bescheidenen Grenzen zu halten ist.
In der Tat ein bodenständiges
Programm, sparsam und doch vielfältig! Die Darbietungen von
Feuerwehr, Liedertafel und Turnen erfreuten den siamesischen
Herrscher ob ihrer Exotik auf jeden Fall, so daß er in seinem
Tagebuch vermerkte:
„Ich war der Meinung, daß das
Einüben dieses Konzertes sehr schwer war. Die Sänger wurden nach
dem Vergleich ihrer Stimmhöhen mit der Trompete und der Geige
gruppiert. Einige Passagen sangen sie ohne musikalische Begleitung.
Das fand ich sehr schön.“
Das Konzert war
ausdrücklich als Wohltätigkeitsveranstaltung annonciert, und so
berichtete die Braunschweiger Landeszeitung am 14. August:
„Der König von Siam hat dem
Louisenstifte aus Anlaß des Konzertes der Vereinigten
Männergesangvereine im Hoftheater und der Krankenanstalt vom Roten
Kreuz aus Anlaß des Schauturnens je einen Betrag von 500 Mark
überweisen lassen.“
Die Vorführung der
Feuerwehren wurde realistischer als geplant, denn sie hatten kaum
angefangen, da erreichte sie eine Alarmmeldung: Die BraunschweigerMaschinenbauanstalt brennt! Sie mußten also abrücken und löschen,
zum Glück brannte nur das Dach der Gießerei und konnte rasch unter
Kontrolle gebracht.
Militärisches durfte zur damaligen
Zeit nicht fehlen, und so berichtet die Zeitung:
Heute früh fand zu Ehren des Königs
von Siam auf dem Exerzierplatze eine militärische Übung unter dem
Kommando des Kommandeurs der 40.Infanteriebrigade, Generalmajor v.
Pritzelwitz [Kurt Karl Wilhelm Gustav von Pritzelwitz, 1854 - 1935]
statt, an der das Braunschweigische Infanterieregiment No.92, das
Husarenregiment No.17 und zwei Batterien des Feldartillerie-Regiments
No.46 aus Wolfenbüttel teilnahmen. Der Übung wohnten der
Herzogregent mit Gemahlin, der König von Siam mit dem Prinzen
Paribatra und die beiderseitigen Gefolge bei. Eine ungeheure
Zuschauermenge hatte sich eingefunden und begrüßte die
Fürstlichkeiten lebhaft. An eine Gefechtsübung schlossen sich
Exerzitien. Die Übungen endeten mit einem Parademarsch.
Flugs wurde also
eine Linde beschafft, Chualongkorn vermerkt in seinem Tagebuch:
„Ich fand meinen Baum
ungewöhnlich, denn fast alle seine kleinen und großen Wurzeln waren
abgeschnitten und er hatte keinen Erdballen.“
Ob die Linde
angewachsen ist, wurde leider nicht überliefert, mit Sicherheit ist
sie bei der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg aber verbrannt. Das
Schloß war auch nur noch eine Ruine. Der Angriff der Allierten am
Sonntag der 15. Oktober 1944 ging als Tag des Untergangs des alten
Braunschweig in die Annalen der Stadtgeschichte ein. Das Tagebuch
des fernöstlichen Monarchen mit dem Titel „Glai Baan“ ( fern von
zuhaus) ist heute sogar in deutscher Übersetzung erhältlich und
gewährt interessante Einblicke in die Erfahrungen eines königlichen
Touristen zu Zeiten Kaiser Wilhems I.
Kronprinz Vajiralongkorn als Thronfolger des im Oktober 2016 verstorbenen Königs Rama IV. Bhumipol, war im Jahre 2012 auf Privatbesuch in Braunschweig, um Angelegenheit beim Luftfahrbundesamt zu erledigen. Der Kronprinz flog seine Boeing 737 damals selbst. König Maha Vajiralongkorn Bodindradebayavarangkun ist jetzt Rama X. der Chakri Dynastie.
Nachtrag:
1983 lernte der Herzog auf seiner 1-jährigen Fernostreise den damals regierenden König von Siam kennen. Nach seiner Heirat mit Elisabeth zu Stolberg-Roßla begab er sich im November 1910 auf Einladung des Monarchen auf Hochzeitsreise nach Siam und wurde dort 1911 mit allen Ehren empfangen. Sie verbrachten einige Zeit im Bergschloß von Petchburi.
Der Besuch Chulalongkorns in Braunschweig war demnach die dritte Begegnung der beiden Herren.
Ich werde hierüber demnächst ausführlich berichten.
Unterhalten haben sich die Herren vermutlich auf Englisch, denn: Der Vater Chulalongkorns, König Mongkut, holte 1862 Anna Leonowens als Englischlehrerin für seine Kinder in Land. Die Geschichte wurde später on Hollywood als "Anna und der König" kitschig verfilmt. Anna war übrigens die Tante vom bekannten Schauspieler Boris Karloff.
Bei einem seiner Besuche wurde Johann Albrecht der Chakri-Orden verliehen.
Dank an das
Stadtarchiv Braunschweig für die Unterstützung bei der Recherche.
Bildnachweise:
2,6: Braunschweiger
Neueste Nachrichten 10-13 August 1907, mit freundlicher Genehmigung Stadtarchiv Braunschweig
1 : unbekannt
3 :
A.Grohs Braunschweig um 1907 , Gemeinfrei
4 : unbekannt
5 : unbekannt
6 : Ohio University Library (ob als
Original, ist unbekannt )
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